Anträge

Hintergrund
Organisationswahl 2023
Organisationswahl 2019
Resümee 2019
Anträge zum Download

Radikale Arbeitszeitverkürzung in den gewerkschaftlichen Willensbildungsprozess einbringen





Hintergrund

Als Mitglieder in verschiedenen Gewerkschaften versuchen wir natürlich auch, unser Thema radikale Arbeitszeitverkürzung innerhalb der Gewerkschaften voranzubringen. Was wäre Arbeitszeitverkürzung schließlich ohne Gewerkschaften?

Aber wo fängt man da an? Wir dachten uns, dass die Organisationswahlen genau dafür da sind. Diese Wahlen gibt es in jeder DGB-Gewerkschaft. Sie sind für die Mitglieder die zentrale Form der demokratischen Beteiligung, um Gewerkschaftspolitik aktiv mitzubestimmen und mitzugestalten. Neben Personen für Ämter und Mandate, wird auch über Inhalte abgestimmt und beschlossen. Organisationswahlen sind also das zentrale Scharnier, um als “normales Mitglied” den politischen Kurs der Gewerkschaft ein Stück weit mitzubestimmen.

Wir haben unser Glück eher aus pragmatischen Gründen bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di versucht. Ganz einfach deshalb, weil einige von uns dort Mitglieder sind und deshalb eines Tages zu einer Mitgliederversammlung eingeladen wurden; also einem Treffen von ver.di-Mitgliedern einer bestimmten Branche, eines bestimmten Tätigkeitsfeldes oder eines Betriebs. Am Ende dieses Treffens hatten drei Kolleg*innen den Auftrag bekommen, den an diesem Abend mündlich umrissenen und mit dem Votum aller Anwesenden ausgestatteten Antrag zur radikalen Arbeitszeitverkürzung schriftlich auszuarbeiten. Der Antrag sollte sich anschließens auf den Weg machen, als nächste Station war die Bezirksfachbereichskonferenz vorbestimmt.

Die Wege, die solche Anträge gehen, sind mitunter recht mühevoll. Eingebracht auf der lokalen Ebene, muss sich ein Antrag bewähren. Dort und auf jeder weiteren Ebene muss er vorgebracht und zur Diskussion gestellt, vielleicht verteidigt und – hoffentlich – von der Mehrheit der anwesenden Kolleg*innen (stimmberechtigte Mitglieder oder Delegierte) angenommen werden. Und von diesen Ebenen gibt es einige: Mitgliederversammlung, Bezirk-, Land-, schließlich der Bundesebene. Beim Bundeskongress, der alle vier Jahre stattfindet, entscheidet sich schließlich, ob und in welcher Form ein Antrag und das in ihm verhandelte Thema in die Programmatik der Gewerkschaft Eingang findet.

Wir hatten bei unserem Anliegen wichtige Unterstützung erhalten. Von der ver.di-Jugend (zunächst Bezirk Nordhessen, dann der Landesverband Hessen und schließlich der Bundesverband) sowie dem ver.di-Bezirksfrauenrat Nordhessen, die unseren Antrag aufgegriffen und in abgewandelter Form ebenfalls eingebracht haben. Aber schließlich waren es die stimmberechtigten Kolleg*innen auf den verschiedenen Konferenzen, die dafür gesorgt haben, dass einen Antrag zu radikaler Arbeitszeitverkürzung es bis zum Bundeskongress 2019 geschafft hat. Aktuell ist erneut ein Antrag auf dem Weg. Wir werden sehen, wohin die Reise führen wird …

Wir dokumentieren hier Anträge zu Arbeitszeitverkürzung, die zur Organisationswahl 2019 und zum aktuell noch laufenden Prozess der Organisationswahl 2023 eingebracht wurden:






Organisationswahlen 2023

Zukunft braucht radikale Arbeitszeitverkürzung

Wir fordern unsere Gewerkschaft auf, das Thema radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich als politisches Zukunftsthema ernst zu nehmen, es aufzugreifen und es zu einer inhaltlich fundierten sowie breit angelegten gesellschaftspolitischen Kampagne zu machen.

Begründung:
Radikale Arbeitszeitverkürzung ist keine utopische Träumerei, sondern progressive Realpolitik – das zeigen die jüngsten Vorstöße im (europäischen) Ausland: In Schweden haben Kommunen und Unternehmen den 6-Stunden-Tag (bei vollem Lohnausgleich) erprobt, um erfolgreich den Krankenstand zu senken und die Qualität der Arbeit zu steigern.

In Island wurde unter Federführung von öffentlicher Hand und Gewerkschaft die 4-Tage-Woche (ohne Lohneinbußen) zunächst in einem Modellversuch erprobt und später mit dem Ziel verallgemeinert, umfassend die Work-Life-Balance und das Wohlbefinden der Arbeitnehmer*innen zu verbessern. Spanien denkt seitdem über die Erprobung der 4-Tage-Wochen nach. Auch britische Firmen gewähren vereinzelt die 4-Tage-Woche ohne Lohnverlust, weil festgestellt wird, dass die Produktivität nicht leidet. In Österreich wird vom ÖGB und angeschlossenen Gewerkschaften seit einigen Monaten erfolgreich Druck auf die Politik und ihr rigides Arbeitsregime ausgeübt, indem unter dem Banner der 4-Tage-Woche das Thema Arbeitszeitverkürzung offensiv als breit angelegte gesundheitspolitische Maßnahme, als familienfreundliches Modell und als Beitrag zum Klimaschutz präsentiert wird. Apropos Klimaschutz: In der Schweiz hat die FFF-Bewegung die Bedeutung erkannt und fordert radikale Arbeitszeitverkürzung als probates Mittel zur CO2-Reduktion. Das zeigt uns: Eine andere Zukunft ist möglich!

Es stimmt, es kommen gigantische Umbrüche auf uns zu, auf die wir als Gewerkschaft Antworten haben sollten. Aber das „Geht nicht – gibt’s nicht – zu teuer“ unserer Arbeitgeber kann nicht das Maß unserer Forderungen sein. Unsere Gewerkschaft hat laut Satzung einen anderen Auftrag: die Verwirklichung und Weiter-entwicklung einer demokratischen und sozialen Gesellschaftsordnung. Wir sollten aus den Erfahrungen der anderen Länder lernen, radikale Arbeitszeitverkürzung als gesellschaftspolitisches Projekt ernst nehmen und auf die realpolitische Tages-ordnung setzen.

In dem Wissen also, dass die Zukunft der Arbeit bereits heute verhandelt wird, stellt die Frage, wie viel Lebenszeit wir zur Sicherung unserer Existenz aufbringen müssen, einen wichtigen Baustein künftiger Tarifverhandlungen dar.

Das Ziel, das es in den Blick zu nehmen und durch die geforderte Kampagne zu untermauern gilt, muss eine kollektive Lösung sein, es kann aber durchaus verschiedene Namen tragen: 30-Stunden-Woche, 4-Tage-Woche oder 4-Stunden-Regelarbeitstag. Lasst uns nicht über den Namen streiten, sondern endlich in die Debatte einsteigen.






Organisationwahlen 2019

Radikale Arbeitszeitverkürzung

Der Gewerkschaftsrat wird aufgefordert, das Thema Radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich zum Gegenstand einer breit- und inhaltlich tiefangelegten gesellschaftspolitischen Kampagne zu machen, um daraus eine Kernforderung für zukünftige Tarifverhandlungen zu entwickeln. Es gilt, einen langwierigen Prozess ins Werk zu setzen, dessen Ziel darin bestimmt ist, dass der 4-Stunden-Regelarbeitstag bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf der Grundlage von maximal fünf Arbeitstagen pro Woche erstritten wird.

Begründung:
Unsere Gewerkschaft wird nur dann ein ernsthaftes gesellschaftspolitisches Mandat in relevanten Diskussionen und sozialen Kämpfen wahrnehmen können, wenn unsere Mission für die Zukunft mehr beinhaltet, als die Verteidigung der Sonderinteressen von bestimmten Berufsgruppen. Der gewerkschaftliche Einsatz für eine radikale Arbeitszeitverkürzung versteht sich in diesem Sinn als Umsetzung des in unserer Satzung formulierten gesellschaftspolitischen Mandats, bei der Verwirklichung und Weiterentwicklung einer demokratischen und sozialen Gesellschaftsordnung mitzuwirken. Der Kampf für Arbeitszeitverkürzung ist ein Kampf für die Umverteilung der Arbeitsbelastungen und damit ein Kampf für ein solidarisches Miteinander.

Gerade die Arbeit im sozialen und gesundheitlichen Bereich ist in den vergangenen Jahren von massiven Veränderungen geprägt gewesen. Wenn Profite und Kostendruck zu schlagenden Argumenten bei der Bewirtschaftung von Arbeitsverhältnissen werden, sind wachsende Arbeitsbelastung, längere Arbeitszeiten, weniger Ruhezeit und eine fortwährende Intensivierung der Arbeit die logischen Konsequenzen. Das alles wird auf dem Rücken von uns Kolleginnen und Kollegen ausgetragen; daran muss sich etwas Gravierendes ändern.

Gerade die Arbeit im sozialen und gesundheitlichen Bereich ist in den vergangenen Jahren von massiven Veränderungen geprägt gewesen. Wenn Profite und Kostendruck zu schlagenden Argumenten bei der Bewirtschaftung von Arbeitsverhältnissen werden, sind wachsende Arbeitsbelastung, längere Arbeitszeiten, weniger Ruhezeit und eine fortwährende Intensivierung der Arbeit die logischen Konsequenzen. Das alles wird auf dem Rücken von uns Kolleginnen und Kollegen ausgetragen; daran muss sich etwas Gravierendes ändern.

Wir wissen nicht nur aus den jüngsten Kampagnen für Arbeitszeitverkürzung und den daraus entstandenen Diskussionen, dass es sich dabei um ein brisantes gesellschaftliches Thema handelt; auch dürfte sich zeigen, dass Arbeitszeitverkürzung, voller Lohnausgleich und eine umfassende neue Personalbemessung ein äußerst mobilisierungsfähiges Forderungspaket darstellen. Und das haben wir bitter nötig.

Wenn der 8-Stunden-Tag die Antwort der klassischen Arbeiter*innenbewegung auf die industrielle Revolution war, so soll der 4-Stunden-Tag unsere Antwort auf die Herausforderung der sogenannten Digitalisierung sein. Frei nach dem Motto: Weniger arbeiten, damit alle arbeiten und besser leben können.



Resümee 2019

Ende September 2019, nachdem der ver.di-Bundeskongress getagt hatte, haben wir unseren Versuch, im Rahmen der Organisationswahlen 2019 das Thema radikale Arbeitszeitverkürzung innerhalb der ver.di voranzubringen, auf Facebook folgendermaßen resümiert:

+++ Ver.di Bundeskongress Leipzig schließt sich nicht der 4-Stunden-Forderung an +++

Den Delegierten auf dem fünften Bundeskongress der Gewerkschaft ver.di lagen zwei fast wortgleiche Anträge zum 4-Stunden-Tag bei vollem Lohn- und Personalausgleich zur Abstimmung vor: Einmal aus der Bundesjugendkonferenz der ver.di Jugend (A091) und einmal aus dem Landesbezirk der ver.di Hessen (A092).

Die Antragskommission des Bundeskongresses hatte empfohlen, beide Anträge durch einen Grundsatzantrag des Gewerkschaftsrates (A001 „Gute Arbeit und Gute Dienstleistungen zukunftsgerecht gestalten – betrieblich, tariflich und politisch”) als erledigt anzusehen, in dem lediglich eine weitere „Verkürzung der durchschnittlichen Arbeitszeit über Arbeitszeitverkürzung” gefordert wurde, ohne jedoch eine konkrete Stundenzahl zu nennen. Dieser Empfehlung sind die Delegierten letztlich gefolgt.

Trotz verschiedener Aktionen engagierter Kolleg*innen vor Ort inklusive einer überzeugenden Rede zum Antragsbegehren aus den Reihen der ver.di Jugend, stimmten die Delegierten mehrheitlich dafür, den Empfehlungen der Antragskommission zu folgen und die Anträge als erledigt anzusehen. Indes haben die Delegierten sich dafür entschieden, den Antrag A001 per Änderungsantrag um folgenden Satz zu ergänzen: „Deshalb muss die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich breit in ver.di diskutiert werden.”

Diese Verzögerung im Gang der Geschichte der Arbeiter*innen-Bewegung ist, wie es aussieht, hinzunehmen und entmutigt uns nicht: Es ist ein Erfolg, dass die 4-Stunden-Forderung auf dem höchsten Organ einer Gewerkschaft verhandelt wurde und durch starke Aktionen der Kolleg*innen vor Ort präsent war. An dieser Stelle danken wir den aktiven Kolleg*innen aus der ver.di Jugend für ihren regen Einsatz: Ihr seid stabil, Kolleg*innen!

Für uns heißt es jetzt: Nach dem Bundeskongress ist vor dem Bundeskongress! Seid einig in der 4-Stunden-Forderung!

Anträge als Download

Zukunft braucht radikale Arbeitszeitverkürzung [pdf]
Radikale Arbeitszeitverkürzung, Fassung I [pdf]
Radikale Arbeitszeitverkürzung, Fassung II [pdf]